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Branchennews

Talks, Themen, Trends: Das bewegt die Medienszene Mitteldeutschlands

KI, Rundfunkreform, Social Media: Wir waren für den Medienstandort Thüringen bei den Medientagen Mitteldeutschland dabei und haben für euch die Kernaussagen sechs ausgewählter Panels zusammengestellt.

LS
Eine Frau im hellen Blazer aus seitlicher Rückenansicht: In der Hand hält sie ein Tablet und tippt auf den Bildschirm.

Medientage Mitteldeutschland/ Daniel Reiche, Sophie Mahler, 2025

Von Audiowerbung bis Rundfunkreform, KI im Filmbusiness oder der Zukunft der PR: Bei den Medientagen Mitteldeutschland kommen jedes Jahr Medienakteur:innen zusammen, um sich zu vernetzen und über die Themen und Trends der Branche auszutauschen. Und darum ging es in diesem Jahr:

KI allein zu Haus? - Künstliche Intelligenz in der Filmproduktion

Ob Drehbuch oder Postproduktion: KI-Technologien spielen in der Filmbranche eine immer größere Rolle. Welche Folgen hat das für Regisseur:innen, Schauspieler:innen und andere Kreative?

Wenn es nach Prof. Dr. Lena Gieseke von der Filmuniversität Babelsberg geht, sind Angst und Überforderung die falsche Herangehensweise in Sachen KI und Kreativbranche. “Es ist ein Werkzeug, wir sind dem nicht ausgeliefert und wir müssen da jetzt aktiv zusammen daran arbeiten.” Trotzdem sei nicht zu leugnen, dass auch Menschen im Filmbereich dadurch ihre Jobs verlieren (werden).

Auch für die Regisseurin Franziska Pohlmann steht fest: "Wenn wir in diesen Kreativbranchen weiter arbeiten wollen, werden unsere Inhalte diese Maschinen auch weiter füttern und Bestandteil sein.” Gerade darum aber sei eine mündige Mitgestaltung wichtig. Gleichzeitig arbeite der Bundesverband Regie mit Jurist:innen zusammen, um Fragen zum Schutz der urheberrechtlichen Leistung und Geltendmachung von Ansprüchen abzuklären. Sich jetzt mit rechtlichen Dingen und Verträgen auseinanderzusetzen, um in einer Welt mit KI partizipieren zu können, empfiehlt Sven Bliedung von der Heide, CEO von Volucap, gerade auch Filmschaffenden im Schauspiel.

DRIVE beta GmbH CEO und Executive Producer Hannes Jakobsen bezeichnete sich im Talk als “KI-Enthusiast”, findet es zugleich aber auch wichtig, sich die Frage zu stellen: “Bei welchen Skills sind wir bereit, zu sagen: Die brauchen wir vielleicht nicht mehr und welche nicht?”. So könne es ein strukturelles Problem der Menschheit werden, wenn sie verlerne, strukturiert zu denken, einen langen Text zu lesen oder durch Schreiben und Sprechen Gedanken zu entwickeln. Seine Empfehlung lautet darum, beispielsweise besser selbst einen ersten Textentwurf zu schreiben und die KI um Feedback zu bitten, statt umgekehrt.

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Im Osten nichts Neues? Ostdeutschland in den Medien

Gleich in mehreren Panels spielte das Themenfeld “Medien & Ostdeutschland” eine Rolle. Welche konstruktiven Ansätze für eine ausgewogene und faire Berichterstattung in den Redaktionen hierbei wünschenswert wären oder bereits umgesetzt werden, besprachen im Talk “Im Osten nichts Neues? Ostdeutschland in den Medien” Vertreter:innen aus verschiedenen Medienhäusern und Bundesländern. Laut Christin Bohmann, Chefredakteurin beim MDR, nutzt dieser verschiedene Möglichkeiten, um die Meinungen und Themen der Bevölkerung in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen konkret in ihre Berichterstattung einzubinden, so etwa das Meinungsbarometer “MDRfragt”. Durchschnittlich 25.000 bis 30.000 Menschen beteiligen sich dabei an regelmäßigen Online-Kurzumfragen zu aktuellen Themen. Heiko Paluschka, Leiter des ProSiebenSat.1 -Hauptstadtbüros sprach sich dafür aus, Redaktionen diverser zu besetzen – auch in Hinblick auf West- und Ostdeutsche.

Die stellvertretende Leiterin des Der SPIEGEL-Hauptstadtbüros, Maria Fiedler, sieht in der Zusammenarbeit mit Kolleg:innen, die im Osten wohnen “den größten Gewinn in dem Bereich, weil man eben nicht dieses Helikopterding hat – man kommt eben und ist für ein bis drei Tage, oder meinetwegen auch eine Woche da, und versucht dann, ein Netzwerk zu erschließen – sondern die Leute sind einfach schon vor Ort". Beim Umgang mit Klischeedenken sieht die Journalistin viele Stellschrauben. So sei es wichtig, immer wieder mit Neugier statt Voreingenommenheit an Themen heranzugehen, ostdeutsche Erfolgsgeschichten mitzuerzählen und auf Differenzierung zu achten. So gebe es in Görlitz andere Themenschwerpunkte als in Suhl.

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Media Makeover - Was bringt die Rundfunkreform 2025?

Gerade in dieser Woche feierte die ARD ihr 75-jähriges Jubiläum. Der damals mit Rundfunkgebühren von zwei D-Mark besetzte unabhängige, staatsferne öffentlich-rechtliche Rundfunk sieht sich heute, vor allem in Ostdeutschland, in starker Kritik.

Dabei stellt der am 01.12.2025 in Kraft tretende Reformstaatsvertrag die ARD, ZDF sowie Deutschlandradio vor neue Herausforderungen. Mit dem Reformstaatsvertrag soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk moderner und digitaler werden. Die Professorin für Journalistik Prof. Dr. Annika Sehl sieht perspektivisch die größte Schwierigkeit für ARD und ZDF darin, Programme zusammenzulegen oder gar zu streichen. Das von der Medienpolitik vorgeschlagene Korbmodell, das vor allem die Spartenkanäle betrifft und die Sendeinhalte dabei in drei Bereiche (Information, Bildung, Dokumentation/ Junge Angebote/ Kultur) einteilt, bei denen eine bestimmte Anzahl an Formaten eingespart oder zusammengelegt werden soll, stelle zusätzliche Komplikationen bereit. Es müsse, so Sehl, eine hohe Kooperationsbereitschaft zwischen den Sendern bestehen, so dass die Reform bestmöglich stattfinden kann. Dr. Norbet Himmler, Intendant des ZDF und Ralf Ludwig, Intendant des MDR, plädieren in ihrem Panel wiederholt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als vierte Säule der Demokratie und damit für die Absicherung eines staatsunabhängigen Informationsmediums. Diesbezüglich werden im Gespräch u.a. die Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe und die damit einhergehende mangelhafte Finanzierung aufgegriffen. Die Kürzung des Finanzbedarfs um ca. zwei Drittel wird, so Ludwig, das Umsetzen des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks maßgeblich erschweren.

Wie gelingt die Transformation zur digitalen Zeitung?

Um das Thema Lokaljournalismus und die Frage “Wie gelingt die Transformation zur digitalen Zeitung?” ging es an Tag 2. Christian Tretbar, Chefredakteur beim Tagesspiegel, hob als treibenden Aspekt der Print-Problematik das im öffentlichen Diskurs oft weniger benannte Thema der Zeitungszustellung hervor, die immer teurer und unrentabler werde. Eine weitere Herausforderung sei die Kluft zwischen jungen Redakteuren und einer älteren Leserschaft mit jeweils unterschiedlichen Lebenswelten und Erfahrungshorizonten.

Deshalb sieht Hannah Suppa, Chefredakteurin Leipziger Volkszeitung, die größte Herausforderung für Zeitungsredaktionen nicht in der digitalen Transformation, sondern im Content: “Was muss Journalismus leisten, um bei Leser:innen anzukommen?” Dazu gehöre es, in die Tiefe zu gehen, Entwicklungen aufzuzeigen und Zusammenhänge zu erklären.

Konkret habe die Redaktion der LVZ dafür die klassischen Ressorts abgeschafft und arbeite jetzt in Thementeams mit Expert:innen zusammen. Als sehr erfolgreich hätten sich außerdem Newsletter sowie Story-Podcasts bewiesen, um neue Digitalabos zu generieren. Auch seien Reporter:innen gezielt auf Boom-Regionen um Leipzig umversetzt worden, was sich ebenfalls positiv in den Zahlen widerspiegle.

Level Up oder Game Over? Die deutsche Games-Branche unter Druck

Viele positive Entwicklungen, aber auch neue Potenziale zeigten sich beim Talk zur Situation der mitteldeutschen Games-Branche unter dem Titel “Level Up oder Game Over?” Laut dem Vorstandsvorsitzenden des Games & XR Mitteldeutschland e.V, Friedrich Lüder, ist Mitteldeutschland eigentlich “ein Schlaraffenland für die deutsche Games-Branche”. So gebe es in der Region eine nachhaltige Förder- und Gründungslandschaft in der Region, Hochschulen mit entsprechenden Angeboten und gute Möglichkeiten, neue Ideen umzusetzen. Gerade für Thüringen als Kindermedienland sieht der Geschäftsführer der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM), André Naumann durchaus Potenziale, das auch auf Spiele, Games, Apps und ähnliches auszuweiten: “Das wäre durchaus wünschenswert und in unserem Interesse”. Tom Potutschek, COO & Mitgründer der Gecko Two GmbH/R42, ermutigte junge Absolvent:innen, die im Gamesbereich durchstarten wollen, das auch anzugehen. “Stabile Förderungen in Kombination mit guten Standortbedingungen, die ziehen eben auch externes Kapital an und ich glaube, das muss jetzt mittelfristig der Weg sein, damit diese Branche auch von sich aus laufen kann.”

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Im Netz der Macht: Wie Social Media den Wahlkampf prägt

Welche Rolle haben (soziale) Medien im Bundestagswahlkampf gespielt? Für den Creatives CEO und Gründer der Werteargentur Brinkert Lück, Raphael Brinkert, steht fest: “Diese Wahl ist möglicherweise die letzte auf nationaler Ebene gewesen, die nicht social entschieden ist.” Wichtig seien nun rechtliche Rahmenbedingungen und stärkere Medienbildung auf der einen sowie glaubwürdiges Storytelling, das nicht nur auf Clickbaiting aus ist, auf der anderen Seite.

Zur Rolle der klassischen Medien in diesem Zusammenhang äußerte sich Carolin Ollivier, Redaktionsleiterin beim ARTE Journal. So müssten diese sich nun neu aufstellen und auch selbst Formate entwickeln, um im polemisch geprägten politischen Diskurs auf Social Media andere Akzente zu setzen und auf die großen Fragen der jungen Menschen einzugehen. “Die klassischen Medien sind noch die größte Informationsquelle – das müssen wir nutzen und auch etwas selbstbewusst auftreten.”

Der politische Content Creator León Eberhardt (Politik neugedacht) sieht bei der jungen Generation eine on-demand-Haltung, die auch den Bereich Politik betrifft. So erwarte die Zielgruppe schnell konkrete Antworten und – und finde diese oft auf TikTok, wo eine Unterscheidung zwischen Fakt und Meinung jedoch schnell verschwimme. “Gerade in Orten, wo man sich abgehängt fühlt, fehlt mir die Antwort der demokratischen Mitte, wie man die gerade jungen Leute wieder zurückholt”, so León Eberhardt. Ihm zufolge braucht es für diese Zielgruppe mehr Angebote, mit denen sie sich identifizieren kann, “gerade auch in Ostdeutschland”.

Der CEO & Gründer des Kollektivs People on the Hill GmbH, Bendix Hügelmann, sieht vor allem Medienkompetenz und das Wissen um Algorithmen entscheidend für eine mündige Mediennutzung – und damit auch die Sicherung des demokratischen Diskurses. “Da sehe ich sehr viel Nachhol- und auch Bildungsbedarf.”

Die #mtm25 sind ein zweitägiges Netzwerktreffen in Leipzig. Jedes Jahr diskutieren Speaker:innen aus den Bereichen Film & Fernsehen, Journalismus, Marketing, Entwicklung, Digitales, Medienpolitik und Gaming die drängenden Fragen der Medienbranche, loten neue Perspektiven aus, bekommen und setze Impulse. Veranstalter sind die Medienanstalt Sachsen-Anhalt, die Sächsische Landesmedienanstalt, die Thüringer Landesmedienanstalt, die Stadt Leipzig, die Sächsische Staatskanzlei, der Mitteldeutsche Rundfunk, die Mitteldeutsche Medienförderung, die MDR Media GmbH, die FUNKE Mediengruppe, ARTE, das ZDF sowie Saxonia Media.